Schorndorf Aktuell

29. Juli 2019 10:00 Uhr von CDU Schorndorf

„Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.“ Dieser Sinnspruch aus Wilhelm Meisters Wanderjahren gilt erst recht in der Demokratie, wenn sich die Wählerinnen und Wähler als Souverän für personelle Veränderungen im Gemeinderat entscheiden. So sehr man das Ausscheiden erfahrener Mitglieder und die stärkere Fragmentierung bedauern mag, umso mehr freue ich mich über die neuen Gesichter und den frischen Wind im Gremium. Entspricht es doch offensichtlich dem Wählerwillen, dass eingeschliffene Gewohnheiten noch kritischer hinterfragt werden sollen. Wer also die neuen Mitglieder unserer Fraktion – und damit auch in anderen Fraktionen – als „Laienspielschar“ diffamiert, hat nichts verstanden.

Jetzt mal ehrlich: um ein guter Gemeinderat zu sein, muss man weder studiert noch sein halbes Leben in der Kommunalpolitik zugebracht haben; es genügt der gesunde Menschenverstand, ein wohlwollend kritischer Blick auf die Verwaltung und ein offenes Ohr für die Anliegen der Bürgerschaft. Zu viel Amtserfahrung birgt dagegen das Risiko eines klebrigen Beharrens an alten Denk- und Entscheidungsmustern. Dass bisherige Entscheidungen aus Respekt vor dem Bürgerwillen nochmals überdacht werden sollten, lässt sich am Beispiel der Fuchshofschule trefflich festmachen.

Während bislang eine deutliche Mehrheit im Gemeinderat den Umzug der Fuchshofschule in das Schulzentrum Grauhalde aus praktischen Gründen befürwortete, entspricht es dem überwiegenden Wunsch der Schüler, Eltern, Lehrer und Bewohner des Fuchshofes, dass ihre Grundschule im Herzen ihres Viertels bleiben soll. Da der Stadt durch das Denkmalamt zum Glück eine „Denkpause“ verordnet wurde, ist zu berücksichtigen, dass gerade der Fuchshof ein sozial besonders gut durchmischtes Quartier darstellt und die Fuchshofschule – nicht etwa als Teil eines großen Schulzentrums, sondern als herausragender Mittelpunkt des Viertels – eine wichtige Identifikationswirkung für alle Bewohner entfaltet. Es bleibt somit zu hoffen, dass der neue Gemeinderat die bisherige Mehrheitsmeinung revidiert.

Schließlich verstehe ich das Wahlergebnis auch als berechtigte Kritik des Wählers an gewissen Entscheidungsprozessen im bisherigen Gemeinderat. Viele wichtige Beschlüsse sollen allzu abgestimmt gewirkt haben, ohne dass eine engagierte Auseinandersetzung im Gremium feststellbar gewesen sein soll. Auch die häufigen Aufforderungen des Oberbürgermeisters, man möge seinen Lieblingsprojekten doch mit großer Mehrheit und Harmonie zustimmen, haben bei mir immer den schalen Beigeschmack hinterlassen, dass abweichende Stimmen in die moralische Defensive verwiesen werden sollten.

Nicht ohne Grund bezeichnete der französische Philosoph Jacques Derrida den Appell zur Harmonie als „Machtmittel zur Unterdrückung des Dissenten“. Zweifellos stellt die Bereitschaft zum Kompromiss eine wichtige politische Tugend dar; aber auch respektvolle Konflikte können weiterbringen. In diesem Sinne freue ich mich auf sportliche Auseinandersetzungen, die kritische Überprüfung bisheriger Entscheidungen sowie auf alle spannenden Herausforderungen, die künftig auf unsere Stadt zukommen werden.

Dr. Max Klinger

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